Der buddhistische Dzogchen-Weg zur Erleuchtung
Auch wenn es schwer zu glauben ist, spirituelle Freude zu finden und aufrechtzuerhalten,
ist so einfach, dass es fast schon schwierig ist, ein ganzes Buch darüber zu schreiben. Es ist vielmehr, als würde Dir jemand in einer riesigen Menschenmenge einen guten Freund zeigen, und sobald Du diesen Freund erkannt hast, wirst Du niemals mehr einsam oder unglücklich sein.
Und hier ist die Geschichte, die mich zu diesem sagenhaften Freund führte: Eine gute Freundin von mir schwärmte oft von einem außergewöhnlichen, tibetisch-buddhistischen Lehrer namens Garchen Rinpoche. Seine Eminenz ist ein Oberhaupt der Drikung Kagyu Linie und wurde mit 7 Jahren als erleuchtete Inkarnation erkannt und kam auf den Thron. Mit 22 Jahren wurde Garchen Rinpoche traurigerweise während der chinesischen Invasion festgenommen und verbrachte 20 Jahre im Gefängnis. Während dieser Zeit musste er sehr viel Leid erfahren und konnte nur heimlich meditieren.
Während meine Freundin mir all dies erzählte, machte ganz plötzlich etwas in mir „Klick“ und ich wusste einfach, dass ich diesen Meditationslehrer sehen musste. Leider konnte ich ihn aber nicht sofort treffen, denn zu diesem Zeitpunkt reiste er viel durch den Fernen Osten. So musste ich leider ein halbes Jahr warten, bis ich ihn endlich in Köln treffen konnte, das 800 Kilometer von meinem damaligen Wohnort entfernt lag.
Mein Wunsch, Garchen Rinpoche zu treffen, war jedoch so groß, dass ich nicht länger darauf warten wollte. Deshalb versuchte ich ganz vorsichtig, durch meinen Geist mit ihm zu sprechen. Dies entwickelte sich in eine unglaubliche Erfahrung. Fast unmittelbar, nachdem ich Garchen Rinpoche geistig angesprochen hatte, spürte ich die Anwesenheit einer äußerst liebevollen und intelligenten Person in meiner Nähe. Ich hatte damals fast nie derartige Erfahrungen, aber dennoch konnte ich die Wahrnehmung dieses wundervollen und liebevollen Menschen in meiner Nähe nicht leugnen. Ich nannte ihn bei dem Namen, von dem meine Freundin so geschwärmt hatte.
Langsam versuchte ich, mehr Kontakt zu diesem unsichtbaren Wesen herzustellen und ich versuchte, ihm einige Fragen zu stellen. Ich kann mich nicht mehr an alle Fragen erinnern, aber ich erinnere mich, dass die Antworten, die ich erhielt, immer großen Sinn für mich ergaben. Eines Tages fragte ich ihn, wie ich meditieren sollte und seine Antwort war ganz einfach und unkompliziert. Ich hörte, wie er sagte: „Sei einfach glücklich.“ Und das war alles: „Sei einfach glücklich.“
So versuchte ich, „einfach glücklich zu sein“ und zu meiner Verwunderung überkam mich sofort eine Welle voller Freude und Glückseligkeit. Das war sehr schön, aber es war nicht völlig neu für mich, denn in den vielen Jahren, in denen ich meditiert hatte, hatte ich schon viele derartige Erlebnisse gehabt. Doch etwas war jetzt anders. Plötzlich fühlte ich, dass ich nun eine Art Kontrolle hatte, um immer wieder Zugang zu dieser Freude zu finden, wenn ich sie durch den unvermeidbaren Prozess von störenden Gedanken und Gefühlen verloren hatte. Ganz vorsichtig und sanft lockte ich mich mit den Worten „Sei einfach glücklich“, um immer wieder zu dieser Freude zurückzukehren. Überrascht fand ich heraus, dass echte Freude konstant in mir vorhanden war, genauso, wie die Sonne fortwährend hinter einer dicken Wolkendecke scheint.
Dies war ein Wendepunkt in meinen Meditationsübungen und tatsächlich auch in meinem ganzen Leben. Egal, ob mein „äußeres Leben“ nun schwer oder einfach war (in der Zwischenzeit sind mir einige sehr schlimme Dinge passiert), es war immer ein starkes Gefühl der Liebe und der Freude in mir, zu dem ich fortwährend und ganz einfach Zugang fand, genauso einfach, wie ich mit meinen Augen sehen oder mit meiner Lunge atmen kann.
Bevor ich aber den „echten“ Garchen Rinpoche treffen durfte, war ich etwas nervös. Ich fragte mich, ob er und das „Wesen“, das ich geistig wahrgenommen hatte, in der Tat ein und dieselbe Person waren. Ich war sehr erleichtert und froh, denn ich wurde nicht enttäuscht. Ich bemerkte sogar, dass ich viele Dinge, die Garchen Rinpoche lehrte, schon intuitiv von ihm durch unseren geistigen Dialog gelernt hatte. Als ich dann die Chance hatte, ein persönliches Interview mit ihm zu haben, erzählte ich ihm von meinen Erfahrungen der spirituellen Freude. Er bestätigte mir, dass ich auf dem richtigen Weg sei und dass mein Erleben der spirituellen Freude eine Erfahrung des Mahamudras oder Dzogchen sei.
Dzogchen ist eine tibetisch-buddhistische Praxis, die sich direkt auf die Erkenntnis der Natur unseres Geistes konzentriert und daher die schnellste und höchste Methode genannt wird. Das Wort ‘Dzogchen’ wird als „Große Perfektion“ übersetzt und traditionell wird gesagt, dass sie im achten Jahrhundert durch Buddha Padmasambhava (auch: Guru Rinpoche) nach Tibet gebracht wurde.
Um Dzogchen zu praktizieren, muss man durch einen Lehrer in die direkte Erfahrung der Natur des Geistes eingeführt werden. Nachdem man eingeführt wurde, muss man sich dann weiterhin und ohne Unterbrechung auf diesen Geisteszustand konzentrieren. Neun Jahre lang berichtete ich Garchen Rinpoche regelmäßig von meinen Erfahrungen mit spiritueller Freude und er lehrte mich viele weitere Feinheiten. Während dieser Zeit ermutigte er mich immer wieder dazu, andere Menschen zu unterrichten. Im Jahr 2002 forderte er fast schon, dass ich „raus in die Welt gehen und anderen erklären solle, was ich in mir selbst erkannt habe.“ Er gab mir auch seinen Segen für dieses Buch, indem er eine heilige Flüssigkeit auf das Manuskript tupfte.
Die buddhistische Meditationsgruppe, die ich schon einige Jahre geleitet hatte, nachdem ich Garchen Rinpoche zum ersten Mal traf, war recht klein. Ständig kamen neue Leute dazu und andere blieben weg; die meisten von ihnen waren Anfänger und hatten keinerlei Vorkenntnisse mit Meditation oder Buddhismus. Ich hatte immer Anfänger-Meditationen unterrichtet und deshalb hatte ich Zweifel, ob ich meinen Schülern meine Erfahrungen der spirituellen Freude näherbringen könnte. Schließlich wird Dzogchen als eine fortgeschrittene Praxis angesehen und bei mir selbst hatte sich erst nach zwanzig Jahren täglicher Meditation ein Zugang zu diesem Geisteszustand eingestellt.
Ich ging so vor, dass ich diese Methode „Spirituelle Freude“ nannte, da ich annahm, dass es hilfreich wäre, einen Begriff zu wählen, den die Leute leichter verstehen könnten als fremde tibetische Worte. Ich war sehr überrascht und glücklich, als ich herausfand, dass meine Schüler sehr an dieser Praxis interessiert waren und dass die meisten auch sehr schnell erste Erlebnisse von spiritueller Freude bekommen konnten und später dann auch in der Lage waren, sie zu stabilisieren. Um dieses Buch zu schreiben, führte ich mit neun von ihnen ein ausführliches Interview durch. Vier von diesen Meditationsschülern hatten zuvor schon Erfahrungen mit der Meditation sammeln können, während die anderen fünf Anfänger ohne jegliche Vorkenntnisse waren. Ich fand heraus, dass sogar Menschen mit schwerwiegenden psychologischen Problemen in der Lage waren, Zugang zu spiritueller Freude zu finden und diese Erfahrung auch zu einem guten Grad zu stabilisieren. Alle meine Schüler wurden viel glücklicher und sie alle entwickelten mehr Vertrauen in die Güte ihres innersten Wesens und erfuhren viel mehr Liebe und Erfüllung in ihren Beziehungen. Außerdem konnten sie negative Emotionen wie Ängste, Depressionen oder Wut wesentlich verringern.
Bestärkt von diesen positiven Ergebnissen fing ich an, auch meinen Psychotherapie-Klienten den Zugang zur spirituellen Freude zu lehren. Und wieder stellte ich fest, dass nahezu jeder Klient in der Lage war, einen ersten Zugang zur spirituellen Freude zu finden und damit die eigenen psychologischen Probleme zu mindern oder sogar komplett aufzulösen. Meine Aufgabe bestand einfach darin, meine Klienten bei dieser schnellen Besserung zu unterstützen, indem ich ihnen half, Vertrauen in die Kraft der spirituellen Freude zu entwickeln.
Die positiven Ergebnisse meiner Schüler und Klienten überzeugten mich davon, dass jeder Mensch den Zugang zu Dzogchen – oder spiritueller Freude, wie ich es lieber nenne – erlernen kann. Es ist egal, welche psychologischen Anlagen oder religiösen Hintergründe eine Person hat oder ob sie schon Erfahrungen mit dem Meditieren hat. Deshalb kann jeder, der dieses Buch liest, dies auch schaffen.
Es ist im Grunde ganz einfach, den Zugang zu spiritueller Freude zu finden, aber die meisten von uns brauchen jemanden, der uns auf diesen Geisteszustand hinweist. Dieses Buch soll diesen Hinweis bewirken und aufzeigen, dass sich bedingungslose Freude genau jetzt in unserem eigenen Geistesstrom befindet. Danach ist es dann unsere Aufgabe, die Wichtigkeit dessen, was geschehen ist, zu wertschätzen und uns der Aufrechterhaltung dieses wundervollen neuen Bewusstseins so viel wie möglich zu widmen.
In diesem Buch werde ich oft vom „Praktizieren“ der spirituellen Freude sprechen. Das ist eigentlich nicht richtig. Spirituelle Freude ist nichts, das man „praktizieren“, „tun“ oder „erreichen“ kann. Sie ist eher etwas, was schon da ist und in das man sich einfach „einstimmt“ oder zu dem man „Zugang findet“. Aber sogar die Worte „einstimmen“ oder „Zugang finden“ sind nicht wirklich richtig. Spirituelle Freude ist ein Zustand, in dem wir einfach „sind“. Wie man sehen kann, gibt es keinen angemessenen Weg, um auf Deutsch zu erklären, wie wir spirituelle Freude „erreichen“ und in ihr „verweilen“ können. Deshalb lasse ich es jetzt einfach bleiben, etwas auszudrücken, für das es keine geeigneten Worte gibt und ich werde einfach vom „Praktizieren“ der spirituellen Freude sprechen oder vom „Zugang finden“. Ich hoffe, ich kann durch dieses Buch vermitteln, wie man etwas „praktiziert“, das man eigentlich gar nicht praktizieren kann.
Meinen buddhistischen Lehrern zufolge ist spirituelle Freude der schnellste Weg zur Erleuchtung. Die vollkommene Erleuchtung ist mehr, als sich nur gut oder glücklich zu fühlen. Es bedeutet, wirklich jeden Aspekt dieser Welt in einer wirklichen Weise als herrliches Paradies wahrzunehmen. Es bedeutet, jeden Menschen, uns selbst eingeschlossen, als ein göttliches Wesen zu erleben, jedes Geräusch als himmlische Musik zu empfinden und alles, was man sieht, als reine und höchste Schönheit zu erfahren.
Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir mehr als Meditation. Dzogchen – oder spirituelle Freude – ist ein Zustand des Geistes, den wir in jeder Sekunde unseres Lebens in uns aufrechterhalten sollten. Wenn wir dazu in der Lage sind, wird sich unser Leben über alle Maßen verändern. Wir werden glücklicher sein, selbstbewusster und auch weiser. Unsere Beziehungen werden liebevoller sein und unsere täglichen Aktivitäten werden uns mit mehr Zufriedenheit erfüllen.
Vor allem wird sich unser seelischer Hintergrund, also das Gefühl, das wir haben, wenn gerade nichts Außergewöhnliches passiert, in pure Glückseligkeit verwandeln. In anderen Worten, wir werden die Essenz unserer selbst, als auch des gesamten Universums, als bedingungslose Freude und Glück erkennen. Somit ist die spirituelle Freude eine Methode, die uns helfen wird, im Alltag viel glücklicher zu sein, als auch ein Weg, um den Höhepunkt der menschlichen Entwicklung zu erreichen, nämlich die Erleuchtung oder die Vereinigung mit Gott. Jeder Mensch kann Zugang zu diesem Geisteszustand finden und man muss auch nicht Buddhist werden, um von dieser Glückseligkeit zu profitieren. Das Einzige, was man braucht, ist der tiefe Wunsch, glücklich zu sein, sowohl für sich selbst, als auch für andere Menschen.
Wenn man nun sofort ein erstes Aufblitzen der spirituellen Freude erleben möchte, kann
man gleich zu Kapitel zwei vorblättern. Wenn man aber erst mal wissen möchte, was spirituelle Freude eigentlich genau ist, sollte man einfach weiterlesen.
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